Pressekonferenz am 2. Juni im FKK Artemis/Berlin

Pressekonferenz am 2. Juni im FKK Artemis/Berlin

Pressemitteilung:

„Das heimliche Treiben der Männer & Justitias Macht“

Heute am Internationalen Hurentag, wo 1975 französische Sexarbeiter*innen auf gesetzliche und gesellschaftliche Diskriminierungen aufmerksam machten und u. a. die Kirche von Saint Nizier besetzten, müssen wir feststellen, dass sich seitdem nicht viel geändert hat: nach wie vor ist unsere Forderung nicht erfüllt: Gleichstellung mit anderen Erwerbstätigen!

Das ProstG von 2001 hat Sexarbeiter*innen zwar das Recht auf den Lohn festgeschrieben und die Möglichkeit geschaffen, Bordelle sicher zu führen. Aber  unsere Hoffnungen waren größer. Wir wollten eine völlige Gleichstellung mit anderen Erwerbstätigen und Branchen.

Seyran Ates/Rechtsanwältin: „Feminismus und Sexarbeit. Geht das?“
„Nachdem ich mit vielen Sexarbeiterinnen gesprochen habe, sage ich, dass wir immer auf die Betroffenen hören müssen, ohne das Leid in der Branche zu leugnen. Feminismus bedeutet für mich, dass ich jedes System und jede Ideologie bekämpfe, was Frauen unterdrückt, diskriminiert und entrechtet. Daher benötigen auch Sexarbeiter/innen gesetzlichen und gesellschaftlichen Schutz. Zwangsprostitution und sexuelle Ausbeutung von Frauen kann nur gemeinsam und durch besseren Schutz und rechtlichen Voraussetzungen verhindert werden.“ (https://seyranates.de/)

Das ProstSchG von 2016 stellt einen Rückschritt dar, auch wenn man in den Erlaubnissen für Prostitutionsstätten eine gewisse Rechtssicherheit sehen muss. Die ist jedoch nur gegen verhältnismäßig hohe Auflagen, die einheitlich für alle Arten von Prostitutionsstätten gelten, und mit vielen, unnötigen Kontrollen zu bekommen. Hinzu kommt, dass das Baurecht nicht angepasst wurde. Nach wie vor wird den Bordellen eine sog. Typisierung unterstellt, die meist mit den Realitäten nichts zu tun hat. Damit werden Existenzen und gute Arbeitsbedingungen zerstört.

 Dr. Margarete Gräfin von Galen/ Rechtsanwältin:  „Abschied von der Typisierung?“
„Nachdem das Bundesverwaltungsgericht am 9. November 2021 festgestellt hat, dass diskrete Wohnungsbordelle eine Einzelfallprüfung erfordern, wird es Zeit, dass die Berliner Verwaltung ihre Praxis dieser Rechtsprechung anpasst. Die Passivität der Berliner Behörden bei der Erteilung von Erlaubnissen für Bordellbetriebe – Bordellbetreiber:innen warten seit 4 ½ Jahren auf ihre Erlaubnisse – ist eines Rechtsstaats nicht würdig. „ (https://www.galen.de) 

Die regelmäßigen gesundheitlichen Beratungs- und Registrierungspflichten im ProstSchG für Sexarbeiter*innen sind demütigend und begründen keinerlei Schutz. Für keine anderen Erwerbstätigen bestehen solche Kontrollen.

Die Corona-Pandemie mit den unverhältnismäßig langen Bordellschließungen und einem Prostitutionsverbot haben gezeigt, dass die soziale Absicherung und die staatliche Unterstützung für Sexarbeiter*innen mangelhaft sind. Offensichtlich hat der Staat nur ein Interesse an den Steuereinnahmen aus der Sexarbeit, aber nicht an der strukturellen Fürsorge.

Sexarbeiter*innen mussten z. T. trotz Verbotes weiter anschaffen – um zu überleben. Doch außerhalb der Bordelle waren sie mehr Gewalt, Ausbeutung und Abhängig-keiten ausgesetzt. Die Pandemie hat uns deutlich vor Augen geführt, wohin ein Prostitutionsverbot, wie z. B. in Schweden führt. Das ist kein Schutz!

Trotzdem halten Prostitutionsgegner*innen daran fest. So wurde in einer Nacht- und Nebelaktion, am 7. Juli 2021, ca. 1.15 Uhr, dem letzten Tag vor der Sommerpause die sog. Freierbestrafung im 232a Abs. 6 StGB verschärft. Das Gesetz trat am 1. Oktober 2021 in Kraft. Ein Kunde wird danach mit bis zu 3 Jahren Haft bestraft,  wenn er LEICHTFERTIG die sexuellen Dienstleistungen eines „Menschenhandelsopfers“ oder einer „Zwangsprostituierten“ annimmt. Was heißt hier leichtfertig? Woran soll ein Kunde die „Not“ der Sexarbeiterin erkennen? Das ist unmöglich. So werden Kunden kriminalisiert und unter Generalverdacht gestellt. Und wie wollen die Behörden dies überprüfen?

Will die Politik mit diesem Symbolgesetz ein Prostitutionsverbot durch die Hintertür einführen?

Bianca Wach/Zimmervermietung Rose in Berlin: „So ist das.“
„Sich als Zwangsprostituierte zu outen, bedarf eines großen Vertrauensverhältnisses, das langfristig aufgebaut werden muss. Das besteht nicht gegenüber Behörden, von denen man abhängig ist, und auch nicht gegenüber Kunden, die einen meist nur kurz besuchen. Wer zur Prostitution gezwungen wird, wird alles dafür tun, dies zu verheimlichen…..um keinen Stress mit dem „Zuhälter“ zu bekommen.“ (https://www.rhinstrasse101.de/)

Stephanie Klee/BSD: „Wir klagen an.“
„Es reicht! In welch einer Gesellschaft leben wir, wo einer großen Gruppe = den Sexarbeiter*innen, Kund*innen und Bordellbetreiber*innen konsequent ihre Rechte abgesprochen werden? Müssen diese immer wieder vor Gericht eingeklagt werden?“

Wir sind wütend!

Wir wollen als Sexarbeiter*innen keine Diskriminierung und Kriminalisierung unserer Kunden.

Wir wollen als Bordellbetreiber*innen weiterhin gute und sichere Arbeitsplätze zur Verfügung stellen und gewähren selbstverständlich Transparenz.

Deshalb unterstützen wir die Verfassungsbeschwerde von zwei Kunden, die Herr Rechtsanwalt Dr. Martin Theben heute, am 2. Juni 2022 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht hat.

Wir starten gleichzeitig mit unserer neuen Kampagne und machen aufmerksam auf unsere Petition: https://bringt-das-in-ordnung.de

Damals wie heute gilt:
Rechte und Respekt für alle Sexarbeiter*innen, Kund*innen und Bordellbetreiber*innen. 

Forderungen:

  • Aufhebung aller Sondergesetze,
  • Aufhebung der regelmäßigen Registrierungs- und Beratungspflichtpflicht für Sexarbeiter*innen im ProstSchG,
  • Überführung der Regelungen für Prostitutionsstätten ins Gewerberecht,  aber mit Differenzierungen und ohne Anwendung des Baurecht mit der falschen Typisierung,
  • Respekt und Anerkennung von Sexarbeit als Teil des Wirtschaftslebens.

2. Juni 2022
Stephanie Klee             Tel. 0174 91 99 246
Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e. V.

Ausführliches Presseecho: https://bsd-ev.info/presseecho-zur-pressekonferenz-am-2-juni-2022/

Presseeinladung

Wir nehmen den Internationalen Hurentag zum Anlass und laden Sie zur Pressekonferenz ins FKK Artemis/Berlin ein.

Das ProstG von 2001 hat der Prostitutionsbranche – entgegen der Kriminalisierung durch das StGB – erstmals Rechte eingeräumt und sie in die Nähe des Wirtschaftssystems gerückt: Sexarbeiter*innen wurde ein rechtlicher Anspruch auf ihren Lohn zugesprochen und Bordellbetriebe können seitdem als solche geführt werden.

Das ProstSchG von 2016 ist einen Schritt vor und einen Schritt zurückgegangen: Sexarbeiter*innen müssen sich einer regelmäßigen gesundheitlichen Pflichtberatung und -Registrierung beugen (was es für keinen anderen Beruf gibt) und alle Prostitutionsstätten – ob groß oder klein, ob FKK oder Wohnung – müssen die gleichen Mindestanforderungen erfüllen, erhalten aber dann eine Erlaubnis (ähnlich der Konzession im Gewerberecht).

Das Baurecht stellt in diesem Kontext oft eine nicht zu überwindende Hürde dar und führt oft in die Vernichtung einer über Jahre aufgebauten Existenz.

Die Umsetzung des ProstSchG ist Ländersache und gestaltet sich schwierig. Die Corona-Pandemie hat die Branche zusätzlich gebeutelt. Während wie in einem Brennglas die strukturellen Probleme deutlich zu Tage traten, führte die Politik hinterrücks weitere Gesetze ein, die als Symbolgesetze große Auswirkungen auf alle Beteiligten, die Sexarbeiter*innen, die Kunden und die Bordellbetreiber*innen haben werden. So wurde im § 232a Abs. 6 StGB die sog. Freibestrafung nochmals verschärft. Das der Branche anhaftende Image der Kriminalität wird damit festgeschrieben, wobei die Realitäten ganz anders aussehen. Und es werden ein weiteres Mal Rechte beschränkt.

Wir wehren uns juristisch, indem wir eine Verfassungsbeschwerde unterstützen. Diese begleiten wir politisch mit einer neuen Kampagne. In der Pressekonferenz werden berichten:

Hakki Simsek, FKK Artemis in Berlin: „Alles richtig gemacht?“
Seyran Ates, Rechtsanwältin: „Feminismus und Sexarbeit. Geht das?“
Dr. Margarete Gräfin von Galen, Rechtsanwältin:
„Abschied von der Typisierung?“
Bianca Wach, Zimmervermietung Rose in Berlin: „So ist das.“
Stephanie Klee, BSD: „Wir klagen an.“

Wir laden Sie ein zur Pressekonferenz ins FKK Artemis, Halenseestraße 32 – 36, 10711 Berlin – gern auch Online. Zur besseren Planung und zur Übersendung des Zoom-Zugangs bitten wir Sie um eine kurze Rückmeldung unter: info@bsd-ev.info.

Weitere Informationen gibt es auch auf unserer neuen Kampagnenseite!

20 Jahre Prostitutionsgesetz

20 Jahre Prostitutionsgesetz

Am 20. 12. 2001 wurde das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG) verabschiedet und trat am 01. 01.2002 in Kraft. Es ist ein Minigesetz, denn es besteht nur aus 3 Paragraphen.
Aber es ist ein wichtiges Gesetz, denn es legte fest:
– auch Sexarbeiter*innen haben ein Recht auf ihren Lohn,
– Bordellbetriebe können als solche betrieben werden (ohne sofort mit dem Vorwurf der Zuhälterei, etc. oder Sittenwidrigkeit konfrontiert zu werden),
– und grundsätzlich können auch Arbeitsverträge zwischen Bordellbetreiber*in und Sexarbeiter*in abgeschlossen werden (und damit besteht die Möglichkeit der Sozialversicherung). Ein sog. eingeschränktes Weisungsrecht schränkt die Möglichkeiten des Bordellbetreibers ein, auf das Verhältnis zwischen Sexarbeiter*in und Kunde einzuwirken (z. B. „anzuordnen“, dass Franz. angeboten werden muss).

Nach der Verabschiedung im Bundestag versprachen uns die daran entscheidend beteiligten Parteien (SPD, Bündnis`90/die Grünen und auch die FDP), dass dieser Paradigmenwechsel, diese neue Haltung zur Prostitution, auf andere Gesetze, z. B. das Gewerberecht, das Baurecht, das Ausländerrecht, etc. – Schritt für Schritt – übertragen würde. Dazu ist es dann leider nicht gekommen. Der politische Widerstand und das Desinteresse waren zu groß.

Es bleibt zu hoffen, dass die neue Bundesregierung aus SPD, Bündnis`90/Die Grünen und FDP jetzt mehr Tatkraft und Mut beweisen!

Das ProstG war Grundlage für die Gründung des BSD.

Weitere Infos: wikipedia

Herzlich Willkommen beim BSD

Herzlich Willkommen beim BSD

Viele fragen sich: was ist der BSD? Wer ist der BSD? Wofür steht der BSD?

BSD ist die Abkürzung für Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen. Er ist ein eingetragener Verein, der gegründet wurde am 25. 03. 2002, also kurz nach dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes (ProstG) am 01. Jan. 2002.

Er wurde von 8 InhaberInnen bordellartiger Betriebe und selbständigen Prostituierten in Berlin gegründet und tritt ähnlich den Zusammenschlüssen in anderen Branchen (z. B. die der Anwälte, von Taxiunternehmen, Hotels oder der Stromwirtschaft) für die Interessen seiner Mitglieder ein. Die sind BordellbetreiberInnen, Sexarbeiter*innen und Fördermitglieder.

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Strafrecht

Monika Frommel, eine Strafrechtlerin, Wegbereiterin und Unterstützerin in der schwierigen Frage der rechtlichen Bewertung von „Prostitutions-Gesetzen“ hat in einem interessanten Artikel die „Entwicklung“ u. a. des Sexualstrafrechts und des ProstituiertenSchutzGesetzes beleuchtet und kritisiert. Bravo!

Artikel: Wider die Remoralisierung des Strafrechts

Prostitutionsgesetz

Das Prostitutionsgesetz (ProstG) (richtig: Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten) trat am 01. 01. 2002 in Kraft und verschaffte Sexarbeiter*innen in Deutschland erstmals Rechte:

– das Recht auf ihren Lohn,

– das Recht auf Aufnahme in die staatlichen Sozialversicherungen bei einer abhängigen Beschäftigung

– und bestrafte nicht mehr automatisch BordellinhaberInnen für das zur Verfügung stellen guter Arbeitsbedingungen.

Man sprach von einem Paradigmenwechsel in der Rechtsgeschichte, doch leider blieb das Gesetz in weiten Bereichen seiner Umsetzung auf die Praxis stecken.  Bei der Verabschiedung hatten die PolitikerInnen noch versprochen, es auf weitere Rechtsgebiete, wie das Ordnungswidrigkeitengesetz und das Gewerberecht, zu übertragen. Dazu ist es leider nicht gekommen. Stattdessen ist die Politik einen sehr restriktiveren Weg mit der Verabschiedung des sog. Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) gegangen.

Schlagwort: ProstG