Sehr geehrte Frau Breymaier, Frau Winkelmeier-Becker, Frau Leikert, Frau Widmann-Mauz, Frau Tillmann, Frau Flachsbarth, Frau Heil und Frau Magwas,
sehr geehrte Herren Gröhe, Lauterbach, Heinrich, Fechner, Ullrich, Brand, Patzelt, Henrichmann,
Sie haben sich in Ihrem Brief an die 16 MinisterpräsidentenInnen mit der Forderung gewandt, den derzeitigen Corona-Lockdown und die dadurch bedingte Schließung aller Prostitutionsstätten für die generelle Einführung eines Sexkaufverbots zu nutzen.
Mal davon abgesehen, dass nirgendwo ein Sexkaufverbot Sexarbeiter*innen Schutz gebracht oder den Bedarf an Prostitution reduziert hätte, und Sie die Corona-Notlage von Sexarbeiter*innen für ihre rückwärtsgewandte, moralinsaure, herabwürdigende und respektlose, um Aufmerksamkeit heischende Politik nutzen wollen, setzen Sie mit Ihrer Behauptung eine Lüge in die Welt, die durch nichts bewiesen ist.
„Prostitution (habe) die epidemiologische Wirkung eines Super-Spreaders: Social Distancing ist i.d.R. mit sexuellen Handlungen nicht vereinbar.“ „Das liege auf der Hand.“
Woher kommt diese Erkenntnis? Wie viele Bordelle haben Sie besucht? Sind Sie Kenner der Prostitution? Verfügen Sie über eigene Erfahrungen?
Schon seit längerem fordern wir die zuständigen PolitikerInnen auf der Bundes- und den 16 Landesebenen auf,
– Sexarbeiter*innen und BordellbetreiberInnen nicht von staatlichen Zuschüssen, den Sozialsystemen und den diversen Rettungsschirmen auszuschließen und weitere Unterstützungen aufzulegen und
– die Bordelle, wie auch z. B. die Massagestudios, die Kosmetik, die Tattoostudios, die Gastronomie und Hotellerie, zu öffnen und Sexarbeit an sich wieder zu erlauben.
Denn selbstverständlich können auch in unserer Branche die inzwischen anerkannten und erfolgreichen Corona-Hygienemaßnahmen umgesetzt werden.
Wir haben ein detailliertes Hygienekonzept erarbeitet und der Politik vorgelegt und plädieren für eine schrittweise Öffnung (im Abstand von 14 Tagen) der Bordelle.
ACHTUNG: Aus gegebenem Anlass machen wir darauf
aufmerksam, dass dies nur eine Verkürzung
unseres Hygienekonzeptes ist. Z. T. haben
Gerichte sich hierauf bezogen und behauptet,
es enthalte keine Dokumentationspflicht.
Das stimmt nicht, wie unten deutlich steht. Bitte diesen Ausschnitt nirgendwo einreichen!
Der überwiegende Teil der sexuellen Dienstleistungen wird diskret, hinter verschlossenen Türen, in einer privaten, intimen Atmosphäre und zwischen zwei Personen abgewickelt. In der Prostitution besteht in der Regel ein 1 : 1 Kontakt: eine (1) Sexarbeiter*in befindet sich in einem sog. Arbeitszimmer mit einem (1) Kunden und nur für eine kurze Zeit. Dieses Setting ist vergleichbar der Arbeitssituation einer/s Friseuse/Frisörs, einer/s Masseurin/Masseurs, einer/s Kosmetikerin/Kosmetikers, einer/s Physiotherapeutin/Physiotherapeuten, oder einer/s Podologin/Podologen.
Seltener sind Angebote an mehrere Personen bei einer größeren Öffentlichkeit. Dazu gehören z. B. Bars mit einem Getränkeausschank, Tabledance-Bars mit Tanzdarbietungen, Sexkinos mit Filmvorführungen und fkk-Wellness-Oasen mit Sauna und Schwimmingpool. Aber auch hier ziehen sich die Kunden mit der jeweiligen Sexarbeiter*in in die sog. Arbeitszimmer zurück. Massenansammlungen von Kunden, über einen längeren Zeitraum, schwitzend, gestikulierend, diskutierend in einem geschlossenen Raum beieinander sind, stellen die Ausnahme dar.