Pressespiegel: Öffnung der Bordelle

07. 06. 2020 – Berliner Zeitung: Kuschelsex ist verboten

05. 06. 2020 – Berliner Kurier: Kuschelsex verboten : Bordellbetreiber werben für die Öffnung ihrer Branche

02. 06. 2020 – zdf mo:ma: Prostitution in Zeiten von Corona

02. 06. 2020 – Weser Kurier: Prostitution in der Krise – Was Corona für Bremer Sexarbeiterinnen bedeutet

04. 06. 2020 – BZ/Berlin: Bordelle seit Wochen dicht – So leidet das Berliner Rotlicht unter der Corona-Krise

26. 05. 2020 – onvista.de: Betreiber und Prostituierte fordern Öffnung der Bordelle

05. 06. 2020 – Süddeutsche Zeitung: Sorina arbeitet als Sexarbeiterin und finanziert damit zwei Kinder und ihre Eltern. Wegen der Corona-Krise bangt sie um ihre Existenz. Über die Nöte von Menschen, die Politiker als „Superspreader“ bezeichnen.
Von Johanna Hintermeier, Dachau

Sorina hat Angst vor dem Strich. „Vielleicht muss ich bald auf der Straße leben und arbeiten, ab Juni sind meine Ersparnisse aufgebraucht“, sagt die Sexarbeiterin. „Es ist eine Katastrophe“, fügt sie hinzu. Sorina, so nennt sich die 36-jährige Rumänin, die als selbständige Sexarbeiterin ihre Dienste im Dachauer Salon Patrice anbietet. Seit der Schließung aller Lusthäuser in Deutschland am 17. März hat sie keinerlei Einnahmen, dafür aber umso mehr Angst davor, aus finanzieller Not bald illegal arbeiten zu müssen. Sorina bangt nicht nur um sich, zwei Kinder und erkrankte Eltern versorgt sie mit monatlich tausend Euro in Rumänien, denn auch die stehen gerade mit leeren Händen da.

Als die Grenzen europaweit geschlossen wurden, verharrte sie noch in ihrer Wohnung bei Stuttgart, sie wollte ihre Familie nicht anstecken, sagt Sorina. Viele andere aus dem Ausland stammenden Sexarbeiterinnen haben Deutschland verlassen. Nun sitzt Sorina fest und weiß nicht, wann sie wieder arbeiten kann und wie sie sich finanzieren soll. Die ausgebildete Köchin hat Anträge bei der Arbeitsagentur als Reinigungskraft oder Köchin gestellt – bisher vergeblich.

Kaum eine Branche ist so stark von den Auswirkungen des Coronavirus betroffen wie die Sexarbeit. Bisher ist in keinem Bundesland eine Öffnung der Freudenhäuser, Bordelle, großen Laufhäuser, Pornokinos und Erotikmassagestudios in Aussicht. Das treibt die Sexarbeiterinnen und Bordellbesitzer in existenzielle Nöte, wie das Metier einheitlich berichtet. Betroffen sind auch Sexualbegleiter, die beispielsweise im Altenheimen Beihilfe zum Geschlechtsverkehr leisten. In Dachau residieren laut Kriminalamt Ingolstadt regelmäßig zwischen 15 und 20 Sexarbeiterinnen. Betroffen von den Schließungen sind aber auch Empfangsmitarbeiter in Bordellen und Reinigungskräfte, sagt Uwe Ittner. Der langjährige Polizeibeamte, der vor 15 Jahren vom Blau- ins Rotlichtmilieu wechselte, ist der Besitzer des Salon Patrice in Dachau. Ihm und den vier anderen Bordellen in Dachau könnte der finanzielle Ruin drohen. Ein Grund dafür sind laut Sprecher der Kriminalpolizei auch die hohen Mieten im Dachauer Gewerbegebiet.

Laut Bundesverband sexueller Dienstleistungen (BSD) haben die wenigsten Sexarbeiterinnen staatliche Soforthilfen beantragen können, da sie ähnlich wie bei Künstlern keine betrieblichen Kosten haben. Für die meist aus Osteuropa stammenden Sexarbeiterinnen spielt auch die Sprachbarriere bei den Anträgen eine Rolle, so Stephanie Klee, Sprecherin des BSD.

Ein vom BSD vorgelegtes Hygienekonzept soll nun Abhilfe schaffen, die Bordelle schrittweise zu öffnen und auch mit ein paar Klischees über die Branche aufräumen. So ist eine Dokumentationspflicht der Besucher vorgesehen, das Tragen einer Nase-Mund-Bedeckung, das Duschen für Kunden und Dienstleisterin vor und nach dem Treffen, die Nutzung von Desinfektionsmitteln, regelmäßiges Lüften, Terminvereinbarung und nur Belegung einiger Arbeitszimmer in den Bordellen.

Klee betont, dass im Interesse aller Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter die Hygieneeinhaltung schon vor Corona sehr hoch waren. Sorina stellt sich ihre mögliche Arbeit während Corona so vor: „Handjobs oder erotisches Tanzen wären doch machbar“, schließlich seien die Termine mit ihren Kunden selten länger als eine halbe Stunde, so die Sexarbeiterin. Die Branche fühlt sich auch deswegen ungerecht behandelt, da unter anderem Massagestudios seit dem 11. Mai wieder geöffnet sind, erotische Massagen aber verboten bleiben. Kritiker der Bordellöffnung fürchten, dass die Dokumentationspflicht der Kunden im Bordell nicht richtig umgesetzt würde und hinter verschlossenen Türen die Hygieneauflagen nicht eingehalten werden.

Nun entfachte zwischen Sexarbeiterverbänden, Bordellbesitzern und Politik ein weiterer Streit. Jüngst hatten 16 Bundestagsabgeordnete von CDU und SPD in einem Brief an die Ministerpräsidenten die Prostitution als „Superspreader“ bezeichnet und in Anlehnung an das nordische Modell grundlegend ein Verbot von Sexkauf gefordert. Sie kritisierten die „Ausbeutungs- und Gewaltverhältnisse in der Branche“. Das macht Uwe Ittner, Besitzer des Salon Patrice, wütend. Er sieht die Sexarbeit in eine „Schmuddelecke“ gedrängt. Er verschleiere nicht, dass es illegale Strukturen und Zwangsprostitution gebe, so Ittner. Nur bilde das eben nicht die gesamte Sexarbeitsbranche ab und degradiere ständig diejenigen, die sich für Rechtssicherheit für freiwillige Sexarbeit einsetzten. Ittner, Klee vom BDS und Sorina beklagen einstimmig, dass stereotype Bilder von Massenorgien in Puffs, dreckigen Zimmern und Zwangsprostitution das Bild der Sexarbeit in Deutschland weiterhin dominierten. Dabei gibt es einen weitreichenden rechtlichen Rahmen. Das 2017 verabschiedete Prostitutionsschutzgesetz verpflichtetet etwa Sexarbeiterinnen sich anzumelden, regelmäßig an Belehrungen beim Gesundheitsamt teilzunehmen und sich sozialzuversichern. Auch Menschenrechtsorganisationen warnen vor einer Kriminalisierung von Sexarbeit.

 

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