Krawall in der Eichhörnchen-Bar

Natascha tobt schon seit einer Weile – explosionsartig schreit sie: „Lügen“ – „Fake News“ – „Verrat“ – „verlogene Gesellschaft“. „Ich bin diese Bigotterie und Doppelmoral leid.“

Sie lässt sich nicht beruhigen. Im Gegenteil. Sie wird immer wütender. Betty und Lilli wissen nicht, wie sie sie beruhigen können. Sabrina hebt nur die Arme und verdreht die Augen. Sie sitzen um die Theke – halten jeweils 1,50 Meter Abstand. Corona halt!

Doch Benno, der Kunde, den Natascha erwartet hat und jetzt rein lässt, zeigt sofort Verständnis. Er kennt Natascha schließlich schon lange und weiß, dass es was wichtiges sein muss, wenn sie so aufgebracht ist. „Ja, die Welt ist schlecht und ungerecht: auf eure Dienste will man nicht verzichten, aber man will auch nichts von euch hören und sehen. Ihr sollt schön still sein – am liebsten unsichtbar. Erst recht sollt ihr keine Forderungen stellen oder sogar mitreden wollen. Aber ich bin anders. Ich unterstütze Euch und habe auch schon den Appell www.sexarbeit-gleichstellen.de unterschrieben. Und ich habe auch kein Problem, hier Euer Corona-Kontaktformular auszufüllen – das muss ich schließlich ja auch im Restaurant, beim Frisör und im Hotel. Ist doch wohl klar. Schutz vor Corona und dessen Ausbreitung ist wichtig.“

Benno und Natascha stehen noch am Eingang – an einem kleinen Tischchen mit Masken, Desinfektionsmittel und den berühmt-berüchtigten Kontaktverfolgungsformularen. Benno hat anstandslos seinen Namen, Adresse und Telefonnummer eingetragen. Er ist ein Stammgast der Eichhörnchen-Bar und mag besonders Natascha, aber auch Betty und Sabrina.
„Komm, lass uns direkt aufs Zimmer gehen. Du kannst mir dort alles in Ruhe erzählen.“ Benno weiß, wie er Natascha zu nehmen weiß. Er muss ihr erst mal zuhören.

Sie entscheiden sich für das Afrika-Zimmer mit dem Elefantentisch, der Giraffenstatue und den bunten Papageien, die ihnen quasi aus der Urwaldtapete entgegen leuchten. Benno lässt sich in die gemütlichen Sessel fallen, nimmt die Maske ab, denn Natascha sitzt in gebührenden Abstand zu ihm. „Nun erzählt schon. Sonst platzt Du noch vor Wut.“

Benno ist wirklich interessiert. Er arbeitet als Rechtsanwalt und sieht die rechtlichen Probleme mit den verschiedenen Corona-Verordnungen jeden Tag und hat sich eine kritische Haltung dazu bewahrt. Und schon explodiert Natascha wie ein Vulkan: „Du weist, seit Mitte März sind alle Bordelle in Deutschland geschlossen. Keine Einnahmen – dafür Langeweile – mein Erspartes ist so gut wie aufgebraucht. Als für die Frisöre und Masseure die Öffnung kam, haben wir uns deren Hygienekonzept angeschaut und genau überlegt, ob wir das auch umsetzen können: Abstand, Maske, Kontaktlisten, Lüften, Desinfizieren… Ja, wir waren zunächst auch kritisch – skeptisch. Doch wir haben gesehen, wie es woanders klappte. Nicht toll – klar – aber besser unter Corona-Schutzmaßnahmen zu arbeiten als gar nicht. Wir sind die einzelnen Schritte durchgegangen und haben sie auf die Abläufe in der Eichhörnchen-Bar umgesetzt. Und wir haben gesehen: es geht.

Also haben wir uns dann an die Politik gewandt und die Öffnung der Bordelle gefordert. Doch die einzelnen Politiker*innen und Behördenmitarbeiter*innen behaupten: `es sei allgemein bekannt, dass Freier ihre Privatsphäre schützen wollen und auf ihrer Anonymität bestehen und ihre Daten nicht angeben würden.` Und die Gerichte folgten diesem Quatsch in vielen Eilverfahren. „Ich frage Dich: woher wissen die das?“

„Und: Wir sagen: das können wir! Und sie sagen: „Nööö. Bordelle sind Super-Spreader und die können sich nicht an die Corona-Schutzmaßnahmen halten.“

Wir haben uns die Finger wund geschrieben. Alles umsonst. Dabei beweist schon die Realität, dass wir recht haben. In Bayern und Berlin sind die Bordelle schon geöffnet und es gibt kein negatives Feedback.“

„Warum glauben sie immer, besser Bescheid zu wissen, als wir?“

„Vielleicht sind die Richter, Behördenmitarbeiter und Richter ja selbst Kunden und gehen ins Bordell und haben von sich auf andere geschlossen? Wer weiß? Auf jeden Fall ist es falsch!“

Und schwupp-diwupp liegen beide auf dem Bett und amüsieren sich. Und weg sind die negativen Gedanken. Nur das Wort „Lüge“ liegt noch in der Luft.

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