Wir decken auf …

Wir decken auf …

Eine klare Datenlage vermissen wir in der Prostitution. Fakten und Zahlen sind so gut wie nicht erfasst. Das bietet Tür und Tor für Vermutungen, Schätzungen und besonders für Fake News – auch im Kontext der aktuellen Diskussion um ein Sexkaufverbot.
Dem begegnen wir hier mit nachvollziehbaren und überprüfbaren Zahlen und Fakten und nennen auch die Quellen. So erstellen wir – Schritt für Schritt – eine Diskussionsgrundlage für alle an der Sexarbeit und deren Beteiligten interessierten Menschen.

Lüge Wahrheit
400.000 – 1 Mill. Sexarbeiter*innen arbeiten in Deutschland diese Zahl kursiert seit ca. 1986 erste Zahlen konnte aufgrund der Registrierung nach dem ProstSchG erhoben werden: das Statistische Bundesamt meldete zum 31.12.2019: 40.400 Sexarbeiter*innen
Bordellbetreiber sind Ausbeuter 2.170 gültige Erlaubnisse für Prostitutionsgewerbe meldete das Statische Bundesamt zum 31.12.2019. Diese Betriebe wurden von den Ordnungsbehörden genauestens überprüft, besonders auch ihre Zuverlässigkeit. Prostitutionsgewerbe werden mehr überprüft und müssen mehr Auflagen erfüllen als andere Gewerbe. Übrigens, nicht wenige Bordelle werden von Frauen betrieben, die zudem oft selbst Sexarbeiterinnen sind oder waren und deren Ziel es ist, eine sichere Arbeitsumgebung für ihre Kolleginnen und ggf. für sich selbst zu schaffen.
Personen zwischen 18 und 21 Jahren sind besonders vulnerabel. Ihnen soll die Ausübung der Prostitution verboten werden. Laut Statische Bundesamt waren am 31.12.2019 von den 40.400 angemeldeten Prostituierten 2.100 = 5 % zwischen 18 und 20 Jahre alt. Ihnen das Recht auf die Ausübung der Prostitution zu verwehren, verstößt gegen § 2 BGB (die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18 Lebensjahres ein). Damit ist eine natürlich Person voll geschäftsfähig und trifft alle geschäftlichen, beruflichen und persönlichen Entscheidungen selbst (Kaufverträge, Mietverträge, Arbeitsverträge, etc.). Ebenso ist Art. 2 GG (die Würde des Menschen) und Art. 12 GG (Berufsfreiheit) zu beachten. Nur Informationen, Bildung, Professionalisierung, Empowerment, Rechte und Respekt schützen vor den Gefahren in der Prostitution – wie in allen anderen Bereichen des Lebens und Berufsfeldern.
1,2 Millionen Kunden besuchen täglich Sexarbeiter*innen in Deutschland Diese Zahl entbehrt jeder Realität. Sie basiert auf eine fiktive Hochrechnung und wurde nie untersucht bzw. durch eine Studie stichhaltig bestätigt. Die Zahl ist durch nichts belegt und eine reine Behauptung.
Sexarbeiter*innen VERKAUFEN ihren Körper und ihre Seele Sexarbeiter*innen verkaufen sexuelle Dienstleistungen und Zeit. Sie verkaufen NICHT ihren Körper und ihre Seele, dann stünden ja jetzt alle ohne Körper und Seele da.
Die Mehrheit der Bevölkerung möchte ein Sexkaufverbot nach dem Nordischen Modell bzw. ein Verbot der Prositution. Das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap führte Ende April 2021 eine Umfrage bei 1.178 Bürger*innen durch.

  • 77 % sprachen sich gegen ein Verbot von käuflichen Sexleistungen aus.
  • 60 % sprachen sich gegen eine dauerhafte Schließung der Bordelle aus.

Das Erotikportal Erobella beauftragte das Marktforschungsinstitut Splendid mit einer repräsentativen Umfrage. Vom 24.08. bis 31.08.2022 wurden 1.009 Menschen (18 – 69 Jahre) zur Sexarbeit befragt. Beispielsweise wie diese über Prostitution denken, wie sie die Situation von Sexarbeiter*innen bewerten und ob Sexarbeit verboten werden soll. Die Ergebnisse der Studie widersprechen deutlich der ständigen Behauptung, die Bevölkerung wolle ein Verbot:

  • 77 % finden das Sexarbeit zur Gesellschaft gehört.
  • 14 % der Befragten haben selbst schon einmal erotische Dienstleistungen in Anspruch genommen.
  • Die Entwicklung in der Sexarbeiter-Branche in Deutschland wird insgesamt positiv bewertet; 35 % finden, dass sich die Situation der Sexarbeiter*innen in den letzten Jahren verbessert hat und 42 % stimmen dem Satz “Sexarbeiter*innen sind heute besser vor Ausbeutung und Gewalt geschützt als früher” zu.
  • 56 % lehnen die Einführung des “Nordischen Modells” klar ab.
Alle Sexarbeiter*innen sind Opfer von Menschenhandel

Das Bundeskriminalamt hat in seinem Bundeslagebericht Menschenhandel und Ausbeutung 2019 insgesamt 287 abgeschlossene Ermittlungsverfahren von Menschenhandel im Bereich sexuelle Ausbeutung aufgeführt. Das bedeutet einen Rückgang von -19,4 % im Vergleich zum Vorjahr. Bei 40.400 gemeldeten Sexarbeiter*innen wären 287 Fälle ein %-Satz von 0,71.

Der BKA-Lagebild Menschenhandel für 2020 weist nach, dass der Anteil an Straftaten im Bereich der sexuellen Ausbeutung gegenüber 2019 um 1,4 % anstieg. Von den im Bereich des Menschenhandels ermittelten 465 Fällen betrafen 291 den Bereich der sexuellen Ausbeutung. Davon betrafen 183 Fälle den Tatbestand des § 232a StGB. Der Anstieg muss auch darauf zurückgeführt werden, dass gerade zu dieser Zeit aufgrund der fast ununterbrochenen Schließung aller öffentlich gemeldeten Betriebe der Sexbranche generell ein Anstieg der Fallzahlen bei den zu verzeichnenden Problemen der Branche zu beobachten war. Kurz: Wie von Fachleuten befürchtet führten gerade Verbote und Betriebsschließungen zum Anstieg, da Sexarbeit in den Untergrund gedrängt wurde. Was das Tatumfeld betrifft wurde – auch wegen der covidbedingten Schließungen – eine deutliche Zunahme im Haus- und Hotelbereich oder innerhalb der Wohnungsprostitution konstatiert. Das BKA führt den Rückgang im Bereich der Bar- und Bordellprostitution auf die Wirkungen des Prostituiertenschutzgesetzes zurück. Nur jedes fünfte Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung verfügte über eine Registrierung nach dem ProstSchG. Auf Seiten der Täter weißt der Bericht auf die enge soziale, kulturelle bzw. familiäre Bindung zu Opfern hin. Freier werden im Bericht als Täter nicht aufgeführt (vgl. S. 3 – 13).

Auch Sexarbeiter*innen wehren sich immer wieder gegen die Behauptung, es gäbe keine Freiwillige Sexarbeit.⁠

 

Menschenhandel

Vorab zur Klarstellung: Der Begriff Sexarbeiter*innen bezeichnet Angehörige der Prostitutionsbranche, die einvernehmliche sexuelle Dienstleistungen anbieten. Er grenzt ihre Tätigkeit von den Zwangsprostituierten oder Opfern ab.

Natürlich gibt es in der Prostitutionsbranche Gewalt, Zwang, Ausbeutung, Abhängigkeiten, etc. wie in jeder anderen Branche (leider auch in der Gastronomie, der Fleischindustrie, der Landwirtschaft oder in Pflegeeinrichtungen).  Besonders wenig integrierte und anerkannte Wirtschaftszweige scheinen dafür anfällig zu sein.
Jede Sexarbeiter*in, die sich als Opfer versteht oder nicht freiwillig der Sexarbeit nachgeht, braucht Unterstützung für einen Ausstieg, einen Umstieg, für Alternativen und jede Hilfe des staatlichen Apparates – insbesondere der Strafverfolgungsbehörden.

Aber:
In diesem Kontext werden oft falsche Zahlen und Horrorgeschichten erzählt. Dabei scheint es nicht um Hilfen für die betroffenen Sexarbeiter*innen zu gehen, sondern eher um moralische Positionen und um ein Schlechtreden und um Diffamierung der Prostitutionsbranche.

Das Bundeskriminalamt hat in seinem Bundeslagebericht „Menschenhandel und Ausbeutung 2019“ 287 abgeschlossene Ermittlungsverfahren von Menschenhandel im Bereich sexuelle Ausbeutung aufgeführt. Das bedeutet einen Rückgang von -19,4 % im Vergleich zum Vorjahr.
Allerdings sei die Anzahl der thailändischen und chinesischen Opfer gestiegen.

Der Überblick:

  • 287 Verfahren ( -19,4 %)
  • 427 Opfer ( -0,7 %)
  • 430 Tatverdächtige (-22,1 %)

 

Die relevante Strafnormen waren:

  • Menschenhandel (§232 StGB)
  • Zwangsprostitution ( § 232a StGB)
  • Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung ( § 233a StGB)
  • Ausbeutung von Prostituierten (§ 180 a StGB)
  • Zuhälterei ( § 181 a StGB)

 

Das BKA weist in seinen jährlichen Lageberichten den kontinuierlichen Rückgang der Ermittlungsverfahren und die Anzahl der Opfer nach und führt das u. a. auf das ProstituiertenSchutzGesetz zurück. „Eine weitere Ursache für den Rückgang der Fallzahlen könnte in der Umsetzung des Prostituiertenschutzgestzes (ProstSchG) liegen. so wurden beispielsweise in Frankfurt (Main) sämtliche Prostitutionsstätten durch die zuständigen Ordnungsbehörden – in Begleitung der Polizei – regemäßig kontrolliert. Verstöße, u. a. mit Bezügen zu Menschenhandel und zur Ausbeutung, wurden dabei konsequent geahndet. Gleichwohl gilt es zu bedenken, dass in einigen Ländern Kontrollen im Zusammenhang mit dem ProstSchG von Ordnungsbehörden durchgeführt werden, die den Fokus ihrer Tätigkeit weniger auf die Identifizierung von Menschenhandelsopfern legen dürften.

Verantwortliche von Prostitutionsstätten wurden im Hinblick auf Ausbeutung der Frauen, Menschenhandel und Zwangsprostitution sensibilisiert. Die Betreiber wurden verpflichtet, ein Betriebskonzept zu erstellen und die gesetzlichen Vorgaben und Aufgaben zu erfüllen. Darüber hinaus müssen die Prostituierten allein – d. h. ohne Begleitung – persönlichen Kontakt zu den zuständigen Mitarbeiter*innen des Ordnungs- und Gesundheitsamtes aufnehmen. Dies dürfte eine abschreckende Wirkung auf potentielle Zuhälter und Menschenhändler entfalten. Insgesamt zeigte sich bei Kontrollen, dass die Prostituierten einen selbstbewussteren und besser informierten Eindruck auf die Kontrollkräfte machten. Auch deshalb halbierte sich z. B. die Fallzahl in Hessen von 20 auf 10.“

Es ist leicht, eine gesamte Branche in Misskredit zu bringen. Aber die statistischen Zahlen des Bundeskriminalamtes sprechen eine andere Sprache.

UND:
Jeder einzelne Fall von Menschenhandel ist einer zuviel. Um diesen Menschen zu helfen, braucht es auch einen konsequenten Opferschutz und die Einräumung eines Bleiberechts für den Fall der Aussagebereitschaft vor Gericht. Warum sollten Opfer von Menschenhandel dem deutschen Staat und der deutschen Gesellschaft helfen gegen kriminelle Machenschaften vorzugehen, wenn sie nichts dafür bekommen und sogar schnell in die Heimatländer abgeschoben werden, wo sie meist keine Perspektiven haben?

Protest in der Eichhörnchen-Bar

Protest in der Eichhörnchen-Bar

Fred, der Betreiber der Eichhörnchen-Bar verdreht genervt die Augen. Es ist 9.44 Uhr und so früh lässt er sich nicht so gerne stören. Wozu auch? Wegen Corona wurde seine Bar von heute auf morgen geschlossen. Das bedeutet: keine Einnahmen – bei laufenden Kosten.

Er hat es auch nicht übers Herz gebracht, Betty, Natascha und Lilli vor die Tür zu setzen. Diese haben keine eigenen Wohnungen, konnten nicht mehr in ihre Heimatländer Bulgarien, Litauen und Ungarn zurückreisen und wohnten schon immer während ihrer kurzen Arbeits-Besuche in den schönen Zimmern unterm Dach.
Jetzt sitzen sie offensichtlich in der Küche und wie Betty im Telefonat deutlich macht, gibt es Stress: „Fred, du musst sofort in die Küche kommen. Hast du schon von dem unverschämten Brief von der angeblichen „Überlebenden“ und der sog. Trauma-Therapeutin gehört? Welche kruden Behauptungen sie aufstellen? Wir sollen alle Opfer sein! wir sollen gerettet werden? Das ist Quatsch und unverschämt! Die haben keine Ahnung von unserem Job, blähen eine Lüge nach der anderen raus und wollen jetzt durchsetzen, dass alle Bordelle nach der Corona-Krise nicht mehr aufmachen dürfen. Wir kämpfen ums Überleben und die nutzen die weltweite Krise für ihre eigenen Machtspielchen……Komm schnell. Die Mädels regen sich total auf. Es geht hier drunter und drüber.“

(mehr …)

Schlagwort: Opfer