Anna Basener
Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte
In einer entzückenden, leichten Sprache, im Ruhrpott-Slang führt uns die frühere Autorin von Groschenromanen durch eine verwunschene Welt eine längst vergangenen Prostitution, wo de Lude trotz/oder gerade wegen seiner Brutalität geliebt und mit Goldkettchen und ständig neuen Autos ausstaffiert wurde, man im „Hotel“ auf jeden Fall zusammenhielt und jede Notlage gemeinsam meisterte – aber auch gleichzeitig am geselligen „Aufbau“ im Pott mit der großen Vorliebe für Taubenzüchtungen und Taubenwettkämpfen teilnahm.
Diesem Leben will die Enkelin in Berlin entfliehen. Hier schlägt sie sich mit einer prostitutionsfeindlichen Mitbewohnerin rum, die sie mit den gängigen Klischees und Vorurteilen der Neuzeit konfrontiert, die allerdings ohne Probleme auf ihre Kosten lebt – und träumt gleichzeitig von einer Existenz als Designerin und Schneiderin von Seidenschlüpfern. Bis ihre gesamte Sippe bei ihr aufschlägt und ihr deutlich macht, wie lebendig die einzelnen scheinbaren Katastrophen sind und das Leben ausmachen.
Natürlich findet sie am Ende dann auch ihren „Prinzen“: Ende gut – alles gut!
Die folgenden Zitate stehen für sich und machen Lust auf Lesen oder Hören (von der grandiosen Gerburg Jahnke gesprochen):
„Die Louise reckt das Kinn. „Sie wissen aber schon, dass sie für einen Verbrecher gearbeitet haben.“
„Datt weiß ich.“ Die Omma bläst Rausch in die Luft.
„Sie haben mit Ihrer Arbeit einen Zuhälter reich gemacht.“
Die Omma runzelt die Stirn und sieht zu mir. „Hast du die nicht gelernt, watt den Unterschied zwischen einem Zuhälter und einem Bordellbetreiber ist?“
Ich räuspere mich. „Omma, die Louise mag ihre Vorurteile sehr gern, und ich möchte da keinen Keil zwischen sie und die Vorurteile treiben.“
„Vorurteile? Es ist voll schrecklich, dass es brauchen gibt, die ihren Körper verkaufen müssen.“
„Also, alle Huren, die ich kenn, haben ihren Körper noch“, sagt die Omma.
„Spießer-Nils? Du, hör mal, natürlich war de begeistert von dir. So verschämte Langeweiler wie de sind einfach. Besonders die jungen mit der schönen Haut.“
„Warum machst du meine Leistungen denn jetzt so klein? Du warst doch nicht dabei.“
„Aber ich kenn mich aus, Herzchen.“
„Ich kenn mich auch aus.“
„Und deshalb hast du dich entscheiden, Nils Bernhard deine Leistungen anzubieten?“
„Also ganz so war es nicht….Ich war mit ihm im Hotel, und am nächsten Tag lag Geld auf dem Nachttisch.“
„Was?“
Die Mitzi blinzelt mich irritiert an. Dann lacht sie wieder. Schon wieder. Ich lass sie hier bei mir wohnen, kaufe ihr Waldmeisterpudding und bewache das Klo, damit sie ja nicht in die Omma einrennt, und dann werde ich ständig ausgelacht? Das habe ich aber auch nicht verdient.
„Schätzchen, ich kann verstehen, dass du Hure sein willst.“ Sie fährt sich durch ihre blonde Maylin-Wellen.
„Jeder möchte Künstlerin sein.“
„Du bist Künstlerin?“
„Natürlich. Kamasutra, Erotik, Verführung…. Alles Künstler.“
Ich will widersprechen, aber dann denk ich, dass sie ja mit dem Handwerk schon irgendwie etwas Abstraktes, Immaterielles und vor allem Einzigartiges erschafft. Dass Huren so wie Künstlerinnen als aufregende Diven am Rand der Gesellschaft leben, das Huren oft Künstlernamen haben………..
„Aber vor allem, liebe Bianca, kommt auch meine Kunst von Können. Und nicht von Wollen und einem passablen Blowjob.“
„Du, mir ist klar, dass du sexuell noch nicht zu gutem Service in der Lage bist. Das ist eine hohe Kunst. Aber im Vertrieb von Unterwäsche……Und dann sind deine Schlüppis auch ein bisschen schlampig gemacht.“
„Was?“, frag ich wieder und seh sie an.
Sie stemmt die Hände in die Hüften und nickt. „Die Beschwerden kommen nicht von ungefähr, Schätzchen. Wir müssen über deine Höschen sprechen. Ich nehme an, dass du zu ungeduldig bist, wenn du auf Masse produzierst. Du musst bessere Qualität anbieten.“
„Bessere Qualität?“
„Ja, aber das steht auf einem andern Blatt. Erst mal….“
Och knall das MacBook auf den Boden und stehe auf. Ich verschränke die Arme vor der Brust. „Du hast die kompletten Siebziger durch quasi keinen Schwanz gelutscht. Du hast auf Falle gearbeitet.“
„Das ist ebenfalls eine Kunst.“
„Das ist Betrug.“
„Eine Nummer vortäuschen ist eine Fickexpertise, die man sich hart erarbeiten muss.“
„Mitzi, das ist trotzdem Betrug. So viel zu Deiner Qualität.“
„Nein, nein“, widerspricht sie mir und geht wieder auf und ab. „Das ist genau mein Punkt, Herzchen. Wenn du nett bist und deine Kunden sich wohlfühlen, dann kannst du denen verkaufen, was du willst. Auch einen Blowjob, der eigentlich eine feuchte Hand ist. Aber eben nur, wenn du Vertrieb und Atmosphäre beherrschst. Du musst nett sein.“
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Maria van Daarten
VON HÖHEPUNKT ZU HÖHEPUNKT
Der Titel ist Programm: Die Autorin nimmt uns mit zu einem neuen Berufsabschnitt. Jahrelang hatte sie in einem Club in einer deutschen Kleinstadt als SexarbeiterIn gearbeitet und das Doppelleben und die Heimlichtuereien sehr belastend empfunden. In Athen will sie sich „frei“ bewegen können und selbstständig ihre sexuellen Dienstleistungen im Haus- und Hotelbereich anbieten. Und so „begleiten“ wir sie quasi von Kunde zu Kunde, erfahren von deren Vorlieben und Eigenarten, leisten ihr Gesellschaft beim Shoppen, zu Beauty-Salons, zum Essen, zurück in ihr Hotel und sind auch dabei, wenn sie sich mit einer erfahrenen Kollegin austauscht.
Wer sollte das Buch lesen?
Jede/r, der neugierig ist auf die vielen Kunden und deren individuellen sexuellen und sonstigen Vorlieben und Begehren. Man lernt viel über Männer.
Was lehrt uns das Buch?
Prostitution ist vielschichtig. Sie ist gut zu meistern – auch in einem fremden Land, denn die sexuellen Dienstleistungen sind weltweit gleich. Überall ist Professionalität angesagt. Dem gesellschaftlichen Stigma und der Doppelmoral scheint frau allerdings nicht zu entkommen. Egal wie weit sie geht!