15. Oktober 2019 – Kundgebung gegen parlamentarischen Arbeitskreis für „Sexkaufverbot“

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Lobbbyhuren

MY BODY, MY CHOICE – RAISE YOUR VOICE!

Als bundesweite Kampagne „Sexarbeit ist Arbeit. Respekt“, initiiert 2016 von feministischen Sexarbeiter*innen, Sozialarbeiter*innen und queer/feministischen Aktivist*innen, protestieren wir am

Dienstag, den 15.10.2019
ab 18 Uhr
vor dem Paul-Löbe-Haus

Wir fordern die Rücknahme des ProstSchG und die Streichung aller diskriminierenden Paragraphen in den verschiedensten Gesetzen wie z. B. dem Strafgesetzbuch, dem Aufenthaltsrecht, Baurecht.

Wir protestieren gegen den ab 20 Uhr stattfindenden parlamentarischen Arbeitskreis „Prostitution – wohin?“. Die Initiator_innen des Arbeitskreises sind Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU und der SPD. Sie haben 2016 – gegen den Protest von Sexarbeiter*innen, ihrer Verbände, Fachberatungsstellen und NGO`s[1],[2]das ProstituiertenSchutzGesetz (ProstSchG) verabschiedet. Sie sind es auch, die seit längerem die Einführung eines Sexkaufverbots für Deutschland fordern und verweisen dabei immer wieder auf das „Schwedische Modell“.

Das ProstSchG bedeutet Kontrolle, Registrierung, lückenlose Erfassung von Mobilitätsdaten und persönlichen Daten der Sexarbeiter*innen und den Aufbau von – fast – unüberwindbaren Hürden für die Bordelle, sodass Arbeitsplätze vernichtet werden und Sexarbeiter*innen „abwandern“ in ungeschützte Arbeitssituationen, wo sie vereinzeln und den kollegialen Austausch vermissen müssen.
– In Schweden gilt seit nunmehr 20 Jahren das sog. Sexkaufverbot. Danach werden Kunden von Sexarbeiter*innen verfolgt und bestraft. Ihnen droht ein Bußgeld und auch Gefängnisstrafe, gepaart mit diskreditierenden Briefen nach Hause und zum Arbeitsplatz. Sexarbeiter*innen werden nicht bestraft, haben jedoch die Auswirkungen des Gesetzes zu tragen.

Schutz ist nicht zu erkennen.

Doch worum geht es den Prostitutionsgegner_innen wirklich? Im Verbund mit Organisationen wie z. B. Sisters, Solwodi, Terre des Femmes vertreten sie für
– ein rückwärtsgewandtes Gesellschaftsbild mit der Priorisierung der Kleinfamilie,
– und wollen, dass Sexualität ausschließlich in Beziehungen und für „Liebe“ zu haben ist.

Schutz fordern sie nur verbal. Sonst stünden auf ihrer Agenda zumindest auch Forderungen wie:
– umfassende Einstiegsberatung für Menschen, die anschaffen gehen wollen, um sie auf die Erfordernisse der Sexarbeit vorzubereiten
– Verpflichtung von Frauenhäusern zur Aufnahme von Frauen, die in der Sexarbeit tätig waren,
– Schutz vor Beleidigungen und Verletzungen von Sexarbeiter*innen auf der Straße durch Prostitutionsgegner_innen und die öffentliche Verurteilung solcher Taten,
– Schaffung von alternativen Arbeitsplätzen und Förderung von Bildung im schulischen und beruflichen Bereich,
– Schutz vor Abschiebung von migrantischen Sexarbeiter*innen und Wiedergutmachung im Rahmen von Strafverfahren aller Art,
– Usw. Usf.

Unsere Position ist klar:
Menschen können nur gestärkt werden durch Rechte und Respekt. Rechte und Respekt brauchen auch Sexarbeiter*innen. Verdrängung und Verbote sind keine Mittel des Schutzes, sondern stellen eine zusätzliche Schwächung der Rechte von Sexarbeiter*innen und ihre weitere Diskriminierung und Stigmatisierung dar.
Dass das „Schwedische Modell“ für Sexarbeiter*innen in Schweden keinen Schutz darstellt, haben sie gerade in einer großen Studie belegt[3]. Sie haben ihre sicheren Arbeitsplätze, die Bordelle, verloren, können sich nicht mit einer Kollegin eine Arbeitswohnung teilen, arbeiten allein und haben kaum kollegialen Austausch mehr, Kinder, Partner und Vermieter stehen im Verdacht der Ausbeutung/Zuhälterei, sie müssen sich auf unsichere Situationen einlassen – zum Schutz ihrer Kunden und finanzielle Einbußen bedrohen sie.

Wollen das die Prostitutionsgegner_innen, wenn sie von Schutz sprechen? Es stellt sich die Frage nach ihrer Motivation. Ihr moralischer Anspruch ist eingebettet in einem konservativen Mainstream, den wir mit Hilfe des Feminismus, der Demokratie und gesellschaftlichen Liberalisierung überholt geglaubt hatten. Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft, in der die Rechte unteilbar sind und auch Minderheiten die gleichen Rechte zustehen, auch die Sicherung der persönlichen Freiheitsrechte. Eine Gesellschaft, in der die sexuelle Selbstbestimmung grundgesetzlich garantiert wird – besonders von Frauen. Hier sehen wir uns im Verbund mit Feministinnen, die sich in diesem Kontext selbstverständlich für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch und natürlich auch für LGBTQ – Rechte und die Rechte anderer Minderheiten einsetzen. Wir wollen eine tolerante Gesellschaft, mit gleichen Rechten für Alle – ohne Stigmatisierung und erst recht ohne strukturelle Gewalt, was das ProstSchG mit seinen „Zwangsberatungen“, dem „Hurenausweis“ und der Verletzung des Datenschutzes zweifelsfrei ist.

Die Forderung eines Sexkaufverbotes zeugt zudem von einer starken Sexualfeindlichkeit. In Zeiten immer höherer Anforderungen, Mobilitäten, Unsicherheiten und steigender Digitalisierung sind Menschen weniger eingebunden in Familienverbände, Freundschaftskreise und Kiez- oder Dorfgemeinschaften und vermissen Nähe, Intimität, Sexualität. Grundbedürfnisse, die entscheidend sein können für die Gesundheit, das Wohlergehen und die Leistungsbereitschaft. So verwundert es nicht, dass Mediziner, (Sexual-) Psychologen, Therapeuten, Hirnforscher, Neurobiologen, Alters- und Demenzforscher verstärkt auf die Bedeutung von Sexualität – in seiner Vielfalt und mit seinen persönlichen Veränderung während eines Lebens – aufmerksam machen. Sexualität hält schlank, fit und schön, macht gesund und stellt eine Ressource dar, die jeder Mensch einsetzen kann, aber nicht muss. Es ist längst überfällig, darauf gesellschaftlich zu reagieren und Sexualität in seiner Vielfältig anzuerkennen und nicht nur in einer heterosexuellen Ehe zur Zeugung von Nachkommen zu tolerieren. Menschen sind vielfältig und haben vielfältige Begierden. Dazu gehört natürlich auch der Wunsch, seine Sexualität in der Sexarbeit – also losgelöst von einer verpflichtenden Beziehung und gegen Geld in einem klaren Setting auszuleben.

Sexarbeiter*innenrechte sind Menschenrechte und Frauenrechte

Pressemitteilung der Kampagne „Sexarbeit ist Arbeit. Respekt!“ [250 KB]

Flyer [116 KB]

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