11. 04. 2020 – Prostitutionsverbot wegen Coronakrise – Auf Kosten der Frauen

der Spiegel, von Milena Hassenkamp

„Wegen des Corona-Kontaktverbots ist Prostitution verboten. Damit Sexarbeitende nicht auf der Straße landen, hat der Bund Übernachtungen in Bordellen erlaubt. Für viele war das zu spät.

Die 54 Zimmer des Pink Palace an der Hamburger Reeperbahn stehen leer. Wegen der Coronakrise dürfen die Prostituierten nicht arbeiten. Alle körpernahen, nicht medizinisch notwendigen Dienstleistungen sind untersagt.Wo sollen die betroffenen Frauen hin? Das Prostitutiertenschutzgesetz verbietet seit 2017 Sexarbeitenden, an ihrem Arbeitsplatz zu schlafen. Durch das Kontaktverbot während der Corona-Pandemie wird deutlich, wie viele es dennoch tun. Als die Behörden neben Restaurants und Gaststätten auch Bordelle schlossen, verloren viele Betroffene ihre Bleibe.

Berufsverbände und die Frauenministerinnen der Länder verlangten eine Sonderregelung, die der Bund kurz darauf erteilte. Doch die Erlaubnis, im Bordell übernachten zu dürfen, kam für viele zu spät.

Als Bordellbesitzer Thorsten Eitner davon erfuhr, hatte er die Sexarbeiterinnen schon aus dem Pink Palace weggeschickt. Normalerweise vermietet er die Zimmer an die Prostituierten. „Die Frauen hätten gern bei mir wohnen können, gratis“, sagt Eitner. Aber nun wisse er nicht, wo sie seien. Vielleicht in ihrer Heimat. Vielleicht bei Freunden. Vielleicht auf der Straße.

Die Ausnahmeregelung des Bundes kam nicht nur zu spät. Sie verpflichtet die Bordellbetreiber auch nicht, Zimmer gratis für die Sexarbeiterinnen zur Verfügung zu stellen. Oft zahlen sie im Bordell eine Zimmermiete von mehr als hundert Euro pro Nacht. Ohne Einkommen können sich das viele nicht leisten.

So verfestigt sich in der Branche eine Zweiklassengesellschaft, die auch das Prostitutionsschutzgesetz nicht aufbrechen konnte. Es gibt einerseits selbstbestimmte Prostituierte, die ihr Gewerbe angemeldet haben. Sie können als Soloselbstständige Hilfe während der Coronakrise beantragen. Doch von den geschätzten 200.000 Sexarbeitenden in Deutschland umfasst diese Gruppe nur 32.800 Menschen – so viele hatten sich Ende 2019 angemeldet.

Besonders hart trifft die Coronakrise deshalb die andere, viel größere Gruppe: Frauen, die nicht angemeldet sind. Sie werden nun im Verborgenen weiterarbeiten. Um zu überleben.“

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Presse11. 04. 2020 – Prostitutionsverbot wegen Coronakrise – Auf Kosten der Frauen