Es begann mit einer Großrazzia. Die größte Razzia, die je in einem Bordell durchgeführt worden war: am 13.04.2016 fielen knapp 1.000 Polizeibeamte und Staatsanwälte im Artemis/Berlin ein. Im Schlepptau waren auch Pressevertreter. Ein Polizist rühmte sich später für die „Glanzleistung“ an Koordination.
In der wenige Stunden später abgehaltenen Pressekonferenz, wo also die Untersuchungsergebnisse noch nicht ausgewertet waren, berichtete die Staatsanwaltschaft schon von mehreren strafrechtlichen Vorwürfen gegen die Betreiber und gegen deren Mitarbeiter*innen. Wie üblich hieß es: Menschenhandel, Gewalt, Sklaverei, Steuerbetrug, organisierte Kriminalität, etc. Damit fand eine deutliche Vorverurteilung statt – Grund- und Menschenrechte wurden nicht beachtet.
Alle Beschuldigten saßen mehrere Monate im Gefängnis, Konten wurden eingefroren und Besitz beschlagnahmt. In den folgenden Gerichtsprozessen haben sich alle Vorwürfe als haltlos erwiesen. Ein Hauptsacheverfahren wurde sogar nicht eröffnet.
Die Betreiber klagten dann wegen dieser ehrrührigen Behandlung und Verletzung des Artikel 2 des Grundgesetzes (Verletzung der Persönlichkeitsrechte) und der Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Und das Kammergericht entschied, dass das Land Berlin an die beiden Betreiber Schadensersatz in Höhe von 100.000 Euro wegen vorverurteilender und grundrechtsverletzender Äußerungen, die die beiden Betreiber unter anderem in die Nähe organisierter Kriminalität rückten, zahlen muss. Es sprach von „amtspflichtverletzenden Informationen an die Öffentlichkeit, die in unzutreffender Weise reißerisch formuliert waren und von „falschen unzutreffenden Aussagen über angebliche Gewalt und ausgebeutete Prostituierte“ in dem Großbordell „Artemis“.
Das Land Berlin will diese vom Gericht festgesetzte Schadensersatzsumme jedoch nicht bezahlen und streitet weiter. Der Ausgang bleibt abzuwarten!
Insgesamt kann nicht von einem Glanzstück des Rechtsstaats gesprochen werden!
Festzuhalten ist jedoch schon jetzt: Auch Betreiber*innen haben ein „Recht auf guten Ruf“ und viele Vorwürfe, womit die gesamte Branche immer wieder konfrontiert wird, sind haltlos und dienen nur dem moralischen Spiel von „Sex and Crime“.
Vor allem hat sich wieder mal bewahrheitet: es lohnt sich, vor Gericht zu ziehen und seine Rechte einzuklagen!
Wir warnen vor Vorverurteilungen. Wir warnen davor, Klischees in einen negativen Kontext zu setzen. Wir raten zu Geduld und gegen einen Medienhype und vor allem gegen eine Gesamtverurteilung der Branche. Nach wie vor gilt: die meisten Sexarbeiter*innen gehen in Deutschland freiwillig der Prostitution nach und Bordelle setzen sich für gute Bedingungen ein, wo sie den Kunden einen guten Service in einer sicheren Umgebung bieten können. Taz 18.04.2018
DAS INTERVIEW FÜHRTE
PATRICIA HECHT
Aktivistin über Zwangsprostitution
„Razzien diskreditieren die Branche“
Der große Einsatz der Polizei macht die Aktivistin Stephanie Klee sehr stutzig. Prostitution sollte man wie behandeln wie andere Berufe auch, sagt sie.
Prostitutes from Costa Rica who identify themselves as Julie, 23, left, Tamara, 24, center, and Angie, 22, talk with potential clients, not seen, from their rented room on a street called in Spanish „La Linea,“ or „The Strip,“ where dozens of women work as prostitutes in Guatemala City, Friday, May 25, 2007. (AP Photo/Alexandre Meneghini)
taz: Frau Klee, die Razzia der Bundespolizei hat sich gegen Menschenhandel, Zwangsprostitution und Ausbeutung gerichtet. Ist sie ein Erfolg?
Bildnummer: 59546196 Datum: 21.04.2013 Copyright: imago/Horst Galuschka Die Prostituierte Stephanie Klee arbeitet seit über 30 Jahren selbst in der Branche und kämpft fast ebenso lange öffentlich für die Rechte von Prostituierten und gegen deren Diskriminierung. Derzeit engagiert sie sich bei der Gründung einer deutschen Sexworker-Vereinigung, aufgenommen am 21.04.2013 in Köln. Entertainment People TV Porträt xsp x0x 2013 quer einzel Aktivistin Sexworker Prostituierte Stephanie Klee Porträt Portrait neutral einzeln 59546196 Date 21 04 2013 Copyright Imago Horst the Prostitute Stephanie Klee works since above 30 Years itself in the Industry and fights Almost as well Length public for the Rights from Prostitutes and against others Discrimination currently committed Them to at the Established a German Association Date at 21 04 2013 in Cologne Entertainment Celebrities TV Portrait xsp x0x 2013 horizontal Singles Activist Prostitute Stephanie Klee Portrait Portrait neutral single
Stephanie Klee: Das würde ich auf keinen Fall sagen. Noch liegen überhaupt keine Ergebnisse vor. Und bei einem so großen Polizeieinsatz stellt sich natürlich die Frage, ob das verhältnismäßig ist oder ob es eher darum geht, in der Öffentlichkeit ein Signal zu setzen: Prostitution ist durchsetzt von Kriminalität. Man muss deshalb abwarten und in den nächsten Wochen sehen, was von den Vorwürfen übrig bleibt…. mehr