Bundesverwaltungsgericht hat Recht gesprochen: die Baubehörde muss bei bestimmten Prostitutionsstätten im Mischgebiet eine Einzelfallprüfung vornehmen!

Bundesverwaltungsgericht hat Recht gesprochen: die Baubehörde muss bei bestimmten Prostitutionsstätten im Mischgebiet eine Einzelfallprüfung vornehmen!

Lange wurde darum gerungen. Unendlich viele Stellungnahmen wurden geschrieben. Und viele Gerichtsverfahren wurden durchgeführt. Jetzt wurde ein wichtiger Teil-Erfolg erzielt!

In der Vergangenheit wurden viele prostitutive Einrichtungen geschlossen (ein Begriff, den das Verwaltungsgericht Berlin einführte; mit dem ProstSchG heißen alle Bordelle, egal wie unterschiedlich sie sind: Prostitutionsstätten), weil die Baubehörden – mit Bezug auf Einzelfallurteile und meist auch nur in einem Eilverfahren ergangen – immer wieder behaupteten, dass ALLE Bordelle, egal wo sie liegen und egal wie sie agieren/wie ihr Betriebskonzept aussieht, einhergehen mit milieubedingten Begleiterscheinungen. Diese seien störend für die Wohnumgebung und deshalb müsse das Bordell geschlossen werden (oder dürfe erst gar nicht eröffnen).

Viele Bordelle haben sich mit dieser Pauschalierung rumschlagen und leidvolle Erfahrungen machen müssen. Sie kamen kaum an gegen die festgefahrenen Auffassungen der Baubehörden und der Gerichte. Gegen die sog. Typisierung schien kein Kraut gewachsen. Obwohl die Realitäten für „Wohnungsbordelle“ meist anders aussehen:
– in der Regel sind sie von außen nicht als solche zu erkennen, z. B. durch Leuchtreklame,
– sie legen großen Wert auf Anonymität (die der Kunden und die der Sexarbeiter*innen),
– es gibt keinen Lärm durch Gruppen und/oder an- und abfahrende Autos,
– es liegen keine Kondome oder anderer Müll im Flur,
– Alkohol wird nicht ausgeschenkt und
– meist handelt es sich um einen Tagesbetrieb, der max. bis 22.00 Uhr geöffnet ist.

Ein Berliner Wohnungsbordell hatte schon im November 2022 mit der Rechtsanwältin Margarete von Galen nach einem langen Gerichtsmarathon vom Bundesverwaltungsgericht Recht bekommen (BVerwG, Urteil vom 09.11.2021 – 4 C 5.20 – [ECLI:DE:BVerwG:2021:091121U4C5.20.0]). Nun liegt die ausführliche Begründung vor. Die Sache wurde zwar an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen, dieses muss aber jetzt – weg von der typisierenden Betrachtung (alle Bordelle werden über einen Kamm geschoren) – neu entscheiden und zwar in diesem konkreten Einzelfall. Dabei müssen dann die Örtlichkeit (das Haus, die anderen Bewohner, die z. T. auch Gewerbetreibende sind, die Straße, etc.), das Betriebskonzept und die tatsächlichen Begebenheiten berücksichtigt werden.

Die Leitsätze des Bundesverwaltungsgerichts sind entscheidend und werden großen Einfluss haben auf viele anhängige Gerichtsverfahren:

1. An der Beurteilung prostitutiver Betriebe auf der Grundlage der eingeschränkten Typisierungslehre haben weder das Prostitutionsgesetz noch das Prostituiertenschutzgesetz etwas geändert.

2. Das Störpotenzial eines sog. Wohnungsbordells im Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1962 lässt sich nicht typisierend erfassen. Es bedarf vielmehr einer Einzelfallprüfung.

Ja, wir müssen abwarten auf die neue Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg.
Ja, danach muss jeder Einzelfall geprüft werden.

Aber:
Endlich haben wir es schriftlich: die ständigen pauschalen „Verurteilungen“ der Prostitutionsbranche als störende, lärmende, unflätige, gefährliche, gewalttätige, kriminelle und sittlich-moralisch verwerfliche Branche in den unterschiedlichen Gesetzen (Baunutzungsrecht, Sperrgebietsverordnung, etc.) und durch die Behörden geht dem Ende entgegen.
Denn dieses entscheidende Urteil muss natürlich auch gelten für Prostitutionsstätten in Wohngebieten.

https://www.bverwg.de/091121U4C5.20.0

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

Schlagwort: Landgericht