Der Spiegel 25/2020: Fremdenverkehr – Wie geht nackt mit Maske, Frau Klee?
Fremdenverkehr
Wie geht nackt mit
Maske, Frau Klee?
Stephanie Klee ist Sprecherin des
»Bundesverbands Sexuelle Dienstleistungen
e.V.«
SPIEGEL: »Nicht die Tugend fordert
man von uns, sondern nur ihre Maske.«
Das schrieb der Marquis de Sade. Passt
ziemlich gut auf Sie, oder?
Klee: Grandios! Hinter der Maske der
Tugend verbirgt sich die bürgerliche
Moral. Aber in der Branche wächst der
Druck, hormonell und finanziell. Es
muss endlich wieder losgehen. Rheinland-
Pfalz hätte diese Woche die Bordelle
öffnen wollen, hat aber einen
Rückzieher gemacht. Die Ordnungsämter
hätten es mit der Kontrolle nicht
geschafft.
SPIEGEL: Wie soll »Social distancing«
und Prostitution zusammengehen?
Anstand braucht Abstand.
Klee: Sexuelle Dienstleistung geht
nicht ohne körperliche Nähe, klar. Aber
warum sollten die Hygieneregeln in der
Gastronomie nicht auch auf unsere
Branche übertragbar sein? Mund-Nase-
Schutz behindert doch das Reiten nicht.
SPIEGEL: Alle Beteiligten nackt bis
auf die Maske, das hätte auch dem Marquis
de Sade gefallen.
Klee: Die Maske kann ein neuer
Fetisch werden. Da eröffnen sich dem
BDSM-Sektor neue Möglichkeiten.
SPIEGEL: Das sind die Fessel- und
Dominanzpraktiken. Ihr Verband fordert
auch, dass Freier und Freierinnen
Namen und Anschrift hinterlassen, notfalls
in einem Umschlag.
Klee: Da hat es natürlich einen Aufschrei
in der Branche gegeben. Andererseits
war es im Escort-Bereich
immer schon üblich, seinen Ausweis
oder die Kreditkarte zu zeigen. Das
Bordell würde die Daten dann vier
Wochen im Safe lagern.
SPIEGEL: Safer sex also. Dann muss
ein Freier aber auch die persönlichen
Daten der Sexarbeiterin erfahren dürfen,
oder?
Klee: Nein, es reicht sagen zu können,
in welchem Bordell man gewesen ist
und wann. Ich brauche doch auch nicht
den Namen meines Friseurs zu wissen.
SPIEGEL: Sind eigentlich viele Sexarbeiterinnen
durch Corona in den Untergrund
getrieben worden?
Klee: Sehr viele. Gerade im Straßenstrich.
Da mache ich mir große Sorgen.
Manchen geht es jetzt richtig dreckig.
Da ist die nackte Furcht vor der Not
größer als die Furcht vor dem Virus.
ASM