Menschenhandel

Vorab zur Klarstellung: Der Begriff Sexarbeiter*innen bezeichnet Angehörige der Prostitutionsbranche, die einvernehmliche sexuelle Dienstleistungen anbieten. Er grenzt ihre Tätigkeit von den Zwangsprostituierten oder Opfern ab.

Natürlich gibt es in der Prostitutionsbranche Gewalt, Zwang, Ausbeutung, Abhängigkeiten, etc. wie in jeder anderen Branche (leider auch in der Gastronomie, der Fleischindustrie, der Landwirtschaft oder in Pflegeeinrichtungen).  Besonders wenig integrierte und anerkannte Wirtschaftszweige scheinen dafür anfällig zu sein.
Jede Sexarbeiter*in, die sich als Opfer versteht oder nicht freiwillig der Sexarbeit nachgeht, braucht Unterstützung für einen Ausstieg, einen Umstieg, für Alternativen und jede Hilfe des staatlichen Apparates – insbesondere der Strafverfolgungsbehörden.

Aber:
In diesem Kontext werden oft falsche Zahlen und Horrorgeschichten erzählt. Dabei scheint es nicht um Hilfen für die betroffenen Sexarbeiter*innen zu gehen, sondern eher um moralische Positionen und um ein Schlechtreden und um Diffamierung der Prostitutionsbranche.

Das Bundeskriminalamt hat in seinem Bundeslagebericht „Menschenhandel und Ausbeutung 2019“ 287 abgeschlossene Ermittlungsverfahren von Menschenhandel im Bereich sexuelle Ausbeutung aufgeführt. Das bedeutet einen Rückgang von -19,4 % im Vergleich zum Vorjahr.
Allerdings sei die Anzahl der thailändischen und chinesischen Opfer gestiegen.

Der Überblick:

  • 287 Verfahren ( -19,4 %)
  • 427 Opfer ( -0,7 %)
  • 430 Tatverdächtige (-22,1 %)

 

Die relevante Strafnormen waren:

  • Menschenhandel (§232 StGB)
  • Zwangsprostitution ( § 232a StGB)
  • Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung ( § 233a StGB)
  • Ausbeutung von Prostituierten (§ 180 a StGB)
  • Zuhälterei ( § 181 a StGB)

 

Das BKA weist in seinen jährlichen Lageberichten den kontinuierlichen Rückgang der Ermittlungsverfahren und die Anzahl der Opfer nach und führt das u. a. auf das ProstituiertenSchutzGesetz zurück. „Eine weitere Ursache für den Rückgang der Fallzahlen könnte in der Umsetzung des Prostituiertenschutzgestzes (ProstSchG) liegen. so wurden beispielsweise in Frankfurt (Main) sämtliche Prostitutionsstätten durch die zuständigen Ordnungsbehörden – in Begleitung der Polizei – regemäßig kontrolliert. Verstöße, u. a. mit Bezügen zu Menschenhandel und zur Ausbeutung, wurden dabei konsequent geahndet. Gleichwohl gilt es zu bedenken, dass in einigen Ländern Kontrollen im Zusammenhang mit dem ProstSchG von Ordnungsbehörden durchgeführt werden, die den Fokus ihrer Tätigkeit weniger auf die Identifizierung von Menschenhandelsopfern legen dürften.

Verantwortliche von Prostitutionsstätten wurden im Hinblick auf Ausbeutung der Frauen, Menschenhandel und Zwangsprostitution sensibilisiert. Die Betreiber wurden verpflichtet, ein Betriebskonzept zu erstellen und die gesetzlichen Vorgaben und Aufgaben zu erfüllen. Darüber hinaus müssen die Prostituierten allein – d. h. ohne Begleitung – persönlichen Kontakt zu den zuständigen Mitarbeiter*innen des Ordnungs- und Gesundheitsamtes aufnehmen. Dies dürfte eine abschreckende Wirkung auf potentielle Zuhälter und Menschenhändler entfalten. Insgesamt zeigte sich bei Kontrollen, dass die Prostituierten einen selbstbewussteren und besser informierten Eindruck auf die Kontrollkräfte machten. Auch deshalb halbierte sich z. B. die Fallzahl in Hessen von 20 auf 10.“

Es ist leicht, eine gesamte Branche in Misskredit zu bringen. Aber die statistischen Zahlen des Bundeskriminalamtes sprechen eine andere Sprache.

UND:
Jeder einzelne Fall von Menschenhandel ist einer zuviel. Um diesen Menschen zu helfen, braucht es auch einen konsequenten Opferschutz und die Einräumung eines Bleiberechts für den Fall der Aussagebereitschaft vor Gericht. Warum sollten Opfer von Menschenhandel dem deutschen Staat und der deutschen Gesellschaft helfen gegen kriminelle Machenschaften vorzugehen, wenn sie nichts dafür bekommen und sogar schnell in die Heimatländer abgeschoben werden, wo sie meist keine Perspektiven haben?

Schlagwort: Bundeskriminalamt