Heute gedenken weltweit Sexarbeiter*innen und ihre Freund*innen zum 50-igsten Mal ihrer mutigen französischen Kolleg*innen.
Diese hatten 1975 in Lyon/Frankreich die Kirche Saint Nizier für viele Tage besetzt. Vorausgegangen waren vermehrte Razzien der Polizei und die Verhängung von Bußgeldern, weil Sexarbeiter*innen auf der Straße auf ihre Kunden warteten. Dagegen waren sie nach 2 Morden an Sexarbeiter*innen nicht aktiv geworden.
Andere Sexarbeiter*innen solidarisierten sich und besetzten Kirchen in anderen französischen Städten. Sie forderten mehr Schutz, bessere Arbeitsbedingungen und Rechte. Die Politiker*innen weigerten sich, sie anzuhören oder mit ihnen in den Dialog zu treten und ließen stattdessen nach wenigen Tagen die Kirchen räumen.
Damit war der Grundstein gelegt für Empowerment, Professionalisierung und eine weltweite Politisierung: die Sexarbeitsbewegung.
Auch heute fordern Sexarbeiter*innen Respekt und die Einhaltung ihrer Grund- und Menschenrechte: dazu gehören in erster Linie die Menschenwürde, Selbstbestimmungsrechte – speziell über den eigenen Körper entscheiden zu können – und das Recht auf Arbeit. Und es geht immer um Gleichberechtigung mit anderen Erwerbstätigen. Sexarbeit ist eine wertvolle Arbeit, für die es einen Bedarf gibt und die in unserer liberalen Gesellschaft wichtig ist. Bordelle bieten Struktur und Sicherheit und Kollegialität. Sie müssen betrachtet werden wie andere Gewerbebetriebe. Kund*innen dürfen nicht länger unsichtbar sein.
Gerade hier in Deutschland müssen wir uns die Frage stellen: wie geht eine liberale Gesellschaft mit Prostitution um? Respektiert sie ihre elementaren Grund- und Menschenrechte?
Und spricht sie mit ihnen direkt und nicht nur über sie?
Wir sagen: es ist an der Zeit für eine radikale Veränderung. Nach Jahrzehnten der Kontrolle und Ordnungspolitik – mit kriminologischen Restaspekten – ist es an der Zeit für Veränderung. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes, das zum 01. Juli veröffentlicht werden soll, fordern wir eine breite Diskussion in allen betroffenen Bundesministerien und dann endlich eine Anpassung verschiedenster Gesetze. Natürlich unter Beteiligung aller Betroffener und ihrer Verbände, denn hier sind die Experten.
Wir haben die Evaluation aus Sicht der Betroffenen begleitet (www.redet-mit-uns.de) und schon die wichtigsten Forderungen zusammengestellt – z. B.:
- Streichung der regelmäßigen gesundheitlichen Beratung (1/2 bzw. 1 x jährlich) und Registrierung von Sexarbeiter*innen (jedes Jahr bzw. alle 2 Jahre) – einmalig reicht!
- Differenzierung der verschiedenen Mindestanforderungen nach Größe und Beschaffenheit der Prostitutionsstätte,
- Anpassung des Baurechts an die Rechtsprechung: weg von der Typisierung hin zur Einzelfallbetrachtung.
Sexarbeit muss als das anerkannt werden, was sie ist:
eine Realität und enorm wichtig!